Schule der Wahrheit
Wer war Flavius Josephus zu Lebzeiten hier auf Erden
Flavius Josephus (geboren 37⁄38 n. Chr. in Jerusalem; gestorben um 100 vermutlich in Rom) war ein jüdisch-hellenistischer Historiker.
Als junger Priester aus der Jerusalemer Oberschicht hatte Josephus eine aktive Rolle im Jüdischen Krieg: Er verteidigte Galiläa im Frühjahr 67 gegen die römische Armee unter Vespasian. In Jotapata geriet er in römische Gefangenschaft. Er prophezeite dem Feldherrn Vespasian dessen künftiges Kaisertum. Als Freigelassener begleitete er Vespasians Sohn Titus in der Endphase des Krieges und wurde so Zeuge der Eroberung von Jerusalem (70 n. Chr.). Mit Titus kam er im folgenden Jahr nach Rom, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Er erhielt das römische Bürgerrecht und lebte fortan von einer kaiserlichen Pension und dem Ertrag seiner Landgüter in Judäa. Die Muße nutzte er zur Abfassung mehrerer Werke in griechischer Sprache:
eine Geschichte des Jüdischen Krieges, eine Geschichte des jüdischen Volkes von der Erschaffung der Welt bis zum Vorabend dieses Krieges, eine kurze Autobiografie als Anhang dazu und als Spätwerk eine Verteidigung des Judentums gegen die Kritik zeitgenössischer Autoren. Römische Historiker erwähnten Josephus nur als jüdischen Gefangenen mit einem Orakelspruch über Vespasians Kaisertum. Für alle Informationen zu seiner Biografie ist man daher auf das Bellum und die Vita angewiesen.
Erhalten blieben die Schriften des Josephus, weil sie schon in der Spätantike von christlichen Autoren als eine Art Nachschlagewerk entdeckt wurden. Bei Josephus fand der Leser des Neuen Testaments nützliche Hintergrundinformationen: Er war der einzige zeitgenössische Autor, der sich detailliert und mit eigener Ortskenntnis über Galiläa äußerte. Die Stadt Jerusalem und der Tempel dort werden ebenfalls genau beschrieben. Josephus erwähnte Johannes den Täufer und wohl auch Jesus von Nazareth – allerdings ist diese Textstelle (das sogenannte Testimonium Flavianum) christlich überarbeitet worden und der ursprüngliche Wortlaut unsicher. Im Bellum beschrieb Josephus ausführlich das Leiden der Menschen im belagerten Jerusalem. Er brach mit den Konventionen der antiken Geschichtsschreibung, die ihn zu Sachlichkeit verpflichteten, um über das Unglück seiner Heimat zu klagen. Seit Origenes deuteten christliche Theologen diese Kriegsberichte als Gottes Strafgericht an den Juden, eine Konsequenz aus der in ihren Augen von Juden verschuldeten Kreuzigung Jesu.
Für die Geschichte Judäas von etwa 200 v. Chr. bis 75 n. Chr. sind Josephus’ Werke die wichtigste antike Quelle. Sein Alleinstellungsmerkmal ist, dass er als antiker Jude über seine Kindheit und Jugend einerseits und seine Rolle im Krieg gegen Rom andererseits Auskunft gibt. Allerdings begegnet der Leser nie direkt dem jungen galiläischen Militärführer, sondern widersprüchlichen Bildern, die ein älterer römischer Bürger von seinem früheren Ich entwarf.
Die neuere Forschung befasst sich damit, wie Josephus im Rom der Flavier als jüdischer Historiker seinen Weg suchte. Die Einwohner Roms waren ständig mit dem Thema Judäa konfrontiert, denn Vespasian und Titus feierten ihren Sieg in einer aufständischen Provinz mit Triumphzug, Münzprägungen und Monumentalarchitektur, als wäre es eine Neueroberung. Josephus stellte sich der Aufgabe, als einer der Besiegten die Geschichte dieses Krieges den Siegern anders zu erzählen. Entstanden ist dabei ein hybrides Werk, das Jüdisches, Griechisches und Römisches verbindet. Das macht Josephus zu einem interessanten Autor für eine postkoloniale Lektüre. Quelle: Wikipedia